Wut ist in unserer Gesellschaft meistens eine Maske für tiefere und schmerzhaftere Emotionen, die darunter versteckt liegen: Angst und Trauer. Wir dienen uns selbst und anderen am meisten, wenn wir die Stärke und Reife entwickeln können, unsere Wut, Angst und Trauer zu erforschen, bevor unsere Zeit zu sterben gekommen ist.
Bei einem Menschen, der unvorbereitet stirbt, ist dies die Phase des vorwurfsvollen Fragens: „Warum gerade ich?”, „Warum auf diese Weise?” oder: „Warum so früh?” Diese Emotion kann die Form von Zorn, Neid oder Vorwürfen annehmen oder auf vollkommen unbeteiligte Menschen projiziert werden. Der Sterbende sagt vielleicht: „Du liebst mich nicht!”, „Hoffentlich bin ich bald tot!” oder: „Zur Hölle mit der ganzen Welt!”
Falls Sie für einen Sterbenden in dieser Phase sorgen, verleugnen Sie nicht seine Gefühle, sondern ermutigen Sie ihn, ihnen Ausdruck zu verleihen. Das Lösen angestauter Wut kann den Sterbenden dahin führen, leichter zu akzeptieren, was ihm geschieht, und es ermöglicht ihm, seine Angst vor dem Tod und seine Abschiedstrauer anzunehmen.
Bisweilen kann es ein Akt tiefen Mitgefühls sein, sich als Empfänger für die Wutausbrüche eines Sterbenden zur Verfügung zu stellen. Da die Wut ohnehin in ihm ist, hilft es ihm, sich ihrer bewusst zu werden. Es ist ein Liebesdienst, sie zu empfangen, ohne darüber zu urteilen und ohne sich davon persönlich umwerfen zu lassen. Indem wir selbst die Situation mit möglichst großem Gleichmut anerkennen, können wir dem Sterbenden helfen, sein Zeugenbewusstsein zu stärken.