Wer sich auf die Suche nach Beschreibungen von Nahtoderlebnissen macht,kann interessante Erkenntnisse gewinnen. Einige der besten Bücher, die wir dazu gefunden haben, sind am Ende dieses Buches in den Leseempfehlungen zusammengefaßt.
Hier zitieren wir aus zwei Nahtoderfahrungen, eine aus Europa und eine aus Nordamerika. Die beiden Personen lebten zu verschiedenen Zeiten und stammten aus sehr unterschiedlichen Verhältnissen.
Der erste Bericht erzählt von einer Nonne, die im Mittelalter lebte. Schwester Katrei, eine Nonne des vierzehnten Jahrhunderts, gehörte den wandernden Beginen an. Diese Gruppe spiritueller Reisender war besonderer Verfolgung ausgesetzt. Über Katreis Herkunft ist nichts bekannt, vermutlich gehörte sie nicht dem Adel an, wie viele andere Nonnen ihrer Zeit. In den Gesprächen, die vermutlich von ihrem Beichtvater Meister Eckhart aufgezeichnet wurden, wurde sie von diesem vor dem harten Leben als wandernde Bettlerin gewarnt. Sie bestand jedoch auf ihrer Entscheidung.
Eckart versucht sie von ihrem Plan abzubringen, als Bettlerin ins Elend zu gehen, aber sie besteht auf ihrer Entscheidung, die sie ihm mit Bibelzitaten begründet. Ihr Entschluß ist unverrückbar. Sie teilt ihrem Beichtvater mit, dass sie ihn nicht brauche, da der Heilige Geist selbst ihr den Weg weise. Sie will dem Priester nicht mehr gehorchen, verweigert ihm den Gehorsam. Allein Gottes Anweisungen will sie Folge leisten, dazu Christus und – bemerkenswert – drei Frauen: Maria Magdalena, Maria von Ägypten und Maria Salome!
Als sie nach langer Zeit wieder mit ihm zusammentrifft, erkennt er sie nicht mehr. Sie eröffnet ihm, wer vor ihm steht, und versucht ihm zu erklären, dass sie im Himmel war, dass sie selbst Gott geworden ist, dass es keine Hölle und kein Fegefeuer gibt. Jetzt beginnt sie ihn zu belehren, der zuvor ihr Lehrer war. Sie kritisiert die Haltung der Kirche und deren Vertreter. Der zunächst skeptische Meister Eckart ist schliesslich überzeugt vom Wahrheitsgehalt ihres Berichtes:
„Ich habe einen Menschen gehört, ich weiss nicht und zweifle daran, ob es ein Mensch oder ein Engel ist. Wenn es ein Mensch ist, so wißt, dass alle Kräfte seiner Seele mit den Engeln im Himmel wohnen und seine Seele ein Engelwesen empfangen hat.”
Sie spricht immer weiter zu ihm, auch wenn sie daran zweifelt, dass er die Tiefe ihrer Visionen erkennt:
„Herr, freut euch mit mir, ich bin Gott geworden!”
Einmal liegt sie mehrere Tage wie tot in der Kirche. Als sie wieder bei sich ist, fragt er sie, was sie erlebt habe. Sie antwortet bloß:
„Laß mich die göttliche Treue genießen…”
Immer noch zweifelt sie daran, dass er erfassen könne, was ihr widerfahren ist. Sie versucht ihm zu erklären, dass sie im Himmel gewesen sei und schildert ihre Nahtoderfahrung:
„Ich war da, wo ich war, ehe ich geschaffen wurde, und dort ist nur Gott und nur Gott. Da sind weder Heilige noch Engel noch Chöre noch Himmel – wisset, dass keine Seele zu Gott kommen mag, sie werde zu Gott, so wie sie Gott war, ehe sie geschaffen wurde… Es gibt keine Hölle. Was hier der Leute Wesen ist, bleibt ewiglich ihr Wesen. Eine Menge Leute wähnen, hier haben sie ein menschliches Wesen und dort ein göttliches. Das ist nicht so. Wisset, viele Leute werden hier darin betrogen. Man sagt vom jüngsten Tage, dass Gott sein Urteil geben wird. Das ist wahr. Es ist aber nicht so, wie die Leute denken: Jeder Mensch verurteilt sich selbst.”
Katrei berichtet Eckart so viel von der Größe Gottes, dass er selbst entrückt wird und in eine abgesonderte Zelle getragen werden muss. Als er wieder zu sich kommt, bittet er darum, dass sie zu ihm käme und sagt zu ihr:
„Gelobt sei Gott, dass er dich je schuf als einen Menschen! Du hast mich zu meiner ewigen Seligkeit gewiesen!” 1
Die zweite Nahtoderfahrung stammt von einem zeitgenössischen Italoamerikaner, einem Mann aus der Mittelschicht, der überhaupt keinen spirituellen Hintergrund hatte. Er war Angestellter eines Autoherstellers und sein Bericht stammt aus den achtziger Jahren des 20. Jahrhunderts, mehr als 600 Jahre nach Schwester Katreis Erlebnissen. Obwohl in seinem Bericht die Nahtoderfahrung nicht direkt erwähnt wird, sind die Auswirkungen, von denen er berichtet sehr ähnlich. Ebenso wie Katrei hat er Schwierigkeiten, sie in Worte zu fassen.
„Es dauerte mindestens sechs Monate, ehe ich mit meiner Frau darüber sprechen konnte. Es war ein so schönes, überwältigendes Gefühl, dass ich jedes Mal, wenn ich versuchte, es auszudrücken, das Gefühl hatte, explodieren zu müssen, zusammenzubrechen oder zu weinen. Und sie konnte meist nicht verstehen, was mit mir los war.”
Wie in Katreis Darstellung gibt es einen Moment, in dem er es vorgezogen hätte, „die göttliche Treue zu genießen.”
„In der Minute, als ich zurückkam [vom klinischen Tod] kehrten auch gleichzeitig der Schmerz und die Angst zurück, … alles Menschliche war auf einmal wieder da. Ich erinnere mich, dass ich sehr wütend darüber wurde, dass man mich zurückgeholt hatte. Meine Frau fragte mich später danach: Du warst wütend. Warum?« Ich konnte es ihr nicht sagen. Ich glaube, das waren die frustrierendsten sechs Monate meines ganzen bisherigen Lebens. Nachdem ich die Vollkommenheit erlebt hatte, … wollte ich nicht wieder loslassen. Das war nicht einfach.”
Und schliesslich erlebt er die Wandlung seines Lebens durch das tiefgreifende Erlebnis.
„Nachdem ich mich ein zweites Mal erholt hatte und nach Hause zurückkehrte,… kam mir alles verändert vor. Es war fast, als ob ich mein ganzes Leben noch einmal neu begänne. Ich war wie neugeboren. Die Fehler, die ich bisher in meinem Leben gemacht hatte, hatte ich gar nicht wirklich begangen. Es war Ordnung in meinem Leben.”
„Ich kann mich erinnern, dass ich versuchte, an diesem Gefühl festzuhalten, diesen Frieden zu bewahren; dass ich dann anfing, mich an weltlichen Dingen zu stören, denen man natürlich nicht entrinnen kann,… man weiss einfach, dass es sie gibt. Meine erste frustrierende Erfahrung hatte ich beim Fernsehen, ich konnte einfach nicht fernsehen. Es gab zum Beispiel eine Werbesendung über Kosmetika,… ich musste ausschalten weil es so unecht war. Es war unnötig, es war Schein, es gehörte nicht hierher, es war unwichtig.”
„Ich konnte keine Art von Gewalt mit ansehen, nicht einmal in einem alten Western; ich musste dann das Fernsehen ausschalten, weil es für mich die totale Ignoranz war. Es gab für mich einfach keinen vernünftigen Grund auf der Welt, Menschen zu zeigen, die andere Menschen töten. Das war frustrierend, besonders wenn die ganze Familie fernsehen will und Dad aufsteht und es abschaltet. Schließlich gewöhnte ich mir an, einfach in mein Zimmer zu gehen.” 2